Schon seit über einem Jahr schwirrt die Idee in unseren Köpfen herum: Unsere beliebte Red Chili Voltage-Serie sollte Zuwachs bekommen. Neben dem Voltage, Voltage Lace und Voltage LV fehlte uns noch ein weiteres High-End-Modell. Der Name stand früh fest: Voltage X – „Voltage“ für Spannung, „X“ für das Extreme. Und genau das sollte dieser Schuh verkörpern.
Voltage X – Entstehung eines neuen Kletterschuh-Highlights
Unser Ziel: Einen Kletterschuh zu entwickeln, der höchsten Ansprüchen genügt – sensibel, präzise und kraftvoll, ob in der Halle oder am Fels. Er sollte auf kleinsten Tritten glänzen, Toe- und Heelhooks perfekt unterstützen und auf Reibungstritten ebenso sicher stehen wie auf abschüssigen Volumen.Schnell ist sich unser Red Chili Team einig:
Voltage X würde eine Hybridkonstruktion aus Schnürer und Klettverschluss erhalten – für eine perfekte, individuell anpassbare Passform. Aber erst einmal: ein gemütlicher Start in den Tag. Kaffee, Croissants und die klare Mission, den ersten Prototyp am nächsten Nachmittag vom Leisten zu schälen.
Der Leisten – Herzstück unserer Entwicklung
Alles beginnt mit der Wahl des Leistens – dem bewährten, leicht breiteren Modell der Voltage-Serie. Mit Tape umklebt, dient er als Leinwand für unsere Ideen: Anatomisch geformte Ferse, großes Toepatch, optimierte Schuhhöhe – alles wird direkt auf das Klebeband skizziert. Entlang dieser Linien schneiden wir das Tape ab, kleben die Formen auf Karton und erstellen daraus unser erstes Schnittmuster. Schon zur Mittagspause weicht die anfängliche Anspannung einer wachsenden Zuversicht: Es läuft genau nach Plan.
Von Schaft bis Sohle – Teamwork pur
Wir teilen unsere Aufgaben auf: Eine Gruppe kümmert sich um den Schaft. Uppermaterial zuschneiden, Gummizüge und das neue Fast-Lace-System vorbereiten, vernähen, verkleben und schließlich alles auf den Leisten aufziehen.
Parallel arbeitet die zweite Gruppe an den Gummiteilen: Wir entscheiden uns für eine Vibram XS Grip Split-Sohle, kombiniert mit der neuen RC-Tension S Zwischensohle – abgestimmt auf unser Konzept für maximale Performance. Auch hier schneiden wir präzise zu, schärfen aus, entfetten und rauen an. Nach dem Nachmittagskaffee finden wir uns wieder zusammen – der große Moment steht bevor: Die Einzelteile werden mit Kontaktkleber bestrichen, angetrocknet und dann Stück für Stück zusammengefügt.
Während das Upper auf den Leisten gezogen wird, werden die Gummiteile erhitzt. Routiniert montieren wir Randgummis, Zwischensohle und Ferse. Der heikle Teil: das Anbringen des Toepatches. Hier ist höchste Konzentration gefragt, um die spezielle Form perfekt zu platzieren.
Schließlich kleben wir den Slingshot-Gummi unter Spannung auf und bringen die Sohlenteile an. Der finale Akt: das Anpressen in der Schlauchpresse – für die nächsten 24 Stunden haben wir nun Pause.
Der Moment der Wahrheit
Jetzt heißt es: warten. 24 Stunden Aushärtezeit – und ein wohlverdientes Feierabendgetränk. Am nächsten Nachmittag trifft sich das Team erneut: letzte Handgriffe. Die Sohle wird geschliffen, Kleberreste entfernt, der Schuh ausgeleistet.
Dann liegt er vor uns: der erste Prototyp des Voltage X. Bereit für den Härtetest an Wand und Fels. Doch bis zur Serienreife wird es noch Monate dauern: Testen, Anpassen, Optimieren – nicht nur in der Performance, sondern auch im Design.
Heute ist er da: der neue High-End-Slipper von Red Chili – der Voltage X, gemacht für höchste Ansprüche, in der Halle ebenso wie draußen am Fels.
FAQ -Produktentwicklerin Lena Krammer im Interview
1. Wer hatte die Idee zu eurem neuen High-End Kletterschuh Voltage X und wie sieht ein Produkt Brainstorming bei euch aus?
Produktideen kommen selten bei der Arbeit 🙂 Bei diesem Projekt war es ein Zusammenspiel aus Unterhaltungen zwischen uns und einem Material-Lieferanten, gepaart mit einer langen Autofahrt, die uns dazu brachten, ein neues Material im Schuh auszuprobieren. Daraus entstand das Voltage X Projekt. Generell setzen wir uns ein Mal im Jahr etwa zusammen und sprechen über neue Entwicklungsprojekte, die wir umsetzen wollen. Dabei ergeben sich potenzielle Projekte aus unterschiedlichen Richtungen. Das können neue Ideen sein oder Dinge, die man unterjährig mal ausprobiert hat. Manchmal sind es aber auch alltägliche Dinge aus denen Projekte gemacht werden können. Beispielsweise Forderungen vom Vertrieb, Modelle, die nicht gut laufen, häufige Reklamationen, die man bei bestimmten Modellen bekommt usw. Am Ende hat man immer die Qual der Wahl zu entscheiden, was wir von der ganzen Liste machen wollen, denn alles schaffen wir nie 🙂
2. Wieviele Konzepte habt ihr ausgearbeitet bis der erste Prototyp gebaut wurde?
Mit Kletterschuhen ist das immer gezwungenermaßen ein einziger Trial-and-Error-Prozess. Man kann selten sagen, welche Änderung was genau machen wird. Natürlich bekommt man über die Zeit Erfahrung und weiß, was in welche Richtung gehen wird oder wie man Probleme beheben kann, aber man wird es immer ausprobieren müssen. Je nachdem wie komplex das Projekt ist und wie „neu“ (zumindest für uns) die Technik oder Konstruktion, desto mehr Prototypen baut man. Proto-Ausprobieren-Repeat ist der Zyklus. Beim Voltage X waren es sicher an die 30 Protos bis zum fertigen Produkt.
3. Wieviele Arbeitsstunden stecken in diesem Produkt und wie lange ist die Timeline vom Projekt Kick-off bis zum fertigen Schuh?
Im kürzesten Fall dauert ein Entwicklungsprojekt bei uns vom ersten Prototyp bis zum Produktionsstart ca. zwei Jahre. Beim Voltage X war der Start Ende 2022. Für einen Prototyp braucht man ca. 2 Tage (vom Leisten Abkleben bis zum Ausleisten). Steht der Schnitt jedoch schon einigermaßen fest und werden nur noch kleine Anpassungen gemacht, geht es natürlich schneller.
4. Wer testet die Prototypen und unter welchen Kriterien werden Änderungswünsche für die Serienproduktion berücksichtigt?
Mehrere interne Tester, die regelmäßig klettern gehen, testen die Prototypen und geben uns Feedback. Wobei es immer ein bisschen darauf ankommt welche Tester hinzugezogen werden, je nachdem um was es für eine Art Schuh es geht. Nach jeder Runde werden Änderungswünsche und Rückmeldungen gesammelt, besprochen und entschieden, was in der nächsten Runde verändert wird. Dabei wird darauf geachtet, dass die Schuhe nicht nur an einen Fuß angepasst werden, sondern die Anpassungen von möglichst vielen Tester bestätigt werden können.
5. Was unterscheidet dieses Top-Modell von anderen Kletterschuhen dieser Kategorie, und was sind die Key-Features?
Der Voltage X ist der weichste Schuh unserer Range. Weiche Schuhe zu bauen ist allerdings gar nicht so einfach, weil man ja keinen Socken möchte, mit dem man nachher auf keinem Tritt wirklich stehen kann. Der Voltage X schaffte es so weich und sensibel zu sein und gleichzeitig noch unglaublich viel Power im Zehenbereich aufzubauen. Darüber hinaus sticht einem gleich das große Toepatch ins Auge. Neben den super Eigenschaften für Toe-Hooks, umschließt es den Fuß komplett und sorgt so für einen ultrakompakten Sitz am Fuß. Zuletzt verwenden wir am Voltage ein eigenes Spannungssystem für die Ferse, sodass diese auch nahezu jeden Fuß gut umschließt und Heel-Hooks so super ziehen.
6. Was sind deine Ansprüche an einen High-End Kletterschuh und wieviel deiner Must-Haves steckt im Voltage X?
Ich klettere gerne weiche Schuhe, die schnell an- und auszuziehen sind und meinen Fuß wie eine Socke umschließen. Oft finde ich aber, dass diese dann zu wenig Spannung haben oder diese schnell nachlässt. Das ist beim Voltage X jedoch nicht so. Das Z-Schnürsystem in Verbindung mit dem Gummizug vom Voltage X funktioniert für mich super. Nur der Leisten, auf dem der Voltage X gebaut ist, ist eher für normal breite Füße gebaut. Meine Füße sind eher schmäler, so dass es nicht immer leicht ist für mich den passenden Schuh zu finden. Daher würde für mich hier sicher zukünftig eine LV Version Sinn ergeben 😉
7. Letzte Frage – aus dem Nähkästchen geplaudert … gibt es schon weitere Konzepte in den Schubladen und wenn ja, auf was darf sich die Kletter-Community freuen?
Wir sind aktuell dabei unsere Range um einen weiteren weichen Schuh zu erweitern. Unsere Kollektion wird ständig überarbeitet und neues Feedback umgesetzt. Außerdem haben wir hier Zugriff und Austausch mit unseren anderen textilen Entwicklungsabteilungen bei Edelrid. Man braucht sich also keine Sorgen zu machen, dass uns da mal die Ideen ausgehen 🙂
Vielen Dank für das Gespräch!